Feilen, bis die Glocke richtig erklingt
Cäcilia Zündorf probt im Schulzentrum
Andreas Rombergs wiederentdeckte Kantate
Andreas Rombergs wiederentdeckte Kantate
Zündorf. Im Schulzentrum starten rund fünfzig Sängerinnen und Sänger in ein langes Probenwochenende. Cäcilia Zündorf bereitet Werke von Mendelssohn und Romberg für ihr nächstes Philharmoniekonzert vor.
Zuerst aber muss der ganze Körper locker werden, von den Füßen bis zum Nacken. Dafür kennt die Stimmbildnerin Silke Stapf effektvolle Übungen, auch im Kampf mit der Raumakustik, die wie eine Wolldecke vieles schluckt. Bald klingen die Töne voller, runder, schöner. Und nebenbei weiten die Choristen den Tonumfang.
Beim Einsingen macht sogar der Dirigent mit, Christian Letschert-Larsson. Er leitet die Probe, und Christoph Wagner assistiert am Klavier. Heute wird an Teilen aus Andreas Rombergs Kantate ,,Das Lied von der Glocke" gefeilt. Der Beethoven-Zeitgenosse hat schon 1808 Schillers berühmtes Gedicht über Glockenguss und Schicksal vertont.
Später nahm sich der Kölner Max Bruch den teils arg biedermeierlichen Text vor. Und noch 2009 hielt Schillers ,,Glocke" für eine Rockoper her. Das lange Gedicht mussten Schüler bis in die 1950er Jahre auswendig lernen. Jetzt klingeln bei der Probe die Ohren vor Zitaten wie ,,Alles rennet, rettet, flüchtet".
Die große Basspartie des Glockenmeisters singt im Konzert Mario Hoff. Das Feuer, das er zum Guss der Glocke braucht, wird zuerst als freundliche ,,Himmelskraft" besungen. Doch ,,wehe, wenn sie losgelassen", wenn eine Feuersbrunst ausbricht. Da schlägt die Musik ins Dramatische um, wird das Tempo hitziger, die Harmonik düster: ,,Doch furchtbar wird die Himmelsmacht, wenn sie der Fessel sich entrafft."
Romberg, der fast vergessene Komponist, hat sein Handwerk verstanden. Viele Chorstellen der Kantate sitzen schon recht gut. Da geht es jetzt noch um Feinheiten. Dazu teilt sich der Chor bei der Probe. Die Männer gehen mit dem Pianisten in einen anderen Raum, die Frauen arbeiten mit Letschert-Larsson weiter. Er feilt heute vor allem an der Aussprache. Schließlich sollen die Zuhörer in der Philharmonie jedes Wort verstehen.
,,Ihr dürft ruhig übertreiben", fordert er. So werden Vokale aufgehellt, Konsonanten klar artikuliert. Ein kölsches ,,l" zum Beispiel geht gar nicht, moniert Letschert-Larsson. Auch musikalisch gibt es Details zu verbessern. Der Sopran muss Töne bis zum hohen G und A locker erreichen. Gewisse Passagen soll der Chor mehr auf Linie singen. Und er soll keine Phrase vorzeitig verschwinden lassen. Mit Humor übersetzt eine Altistin: ,,Nicht ausziehen, bevor man schlafen geht." Und bloß nicht nuscheln! An gefährlichen Stellen hat sich eine Sängerin ,,Seehofer" über die Noten geschrieben, als abschreckendes Beispiel.
Die Chorgemeinschaft Cäcilia Zündorf hat einen großen Vorteil. Wenn Stimmen fehlen, kann sie Kollegen aus Letschert-Larssons anderen Chören ,,ausleihen", aus dem Concert-Chor Concordia Hürth und dem Volkschor Bergheim. Der Chor stellt der Romberg-Kantate Werke von Felix Mendelssohn zur Seite, mit dessen ,,Hebriden-Ouvertüre" die Kammerphilharmonie Rhein-Erft das Konzert auch eröffnet.
Warum aber hat der Chor Rombergs ,,Glocke" als Hauptwerk ausgesucht? ,,Die »Glocke« war eins der ersten Stücke, die Cäcilia Zündorf 1985 einstudiert hat", erklärt der Vorsitzende Uwe Kautz. Jetzt, zum 30. Geburtstag des experimentierfreudigen Chors, erinnert Cäcilia Zündorf an ihre Anfänge.
Beim Philharmoniekonzert am 24. Oktober um 15 Uhr wirken Chor, Orchester und fünf Solisten mit. Karten gibt es von 18 bis 36 Euro.
VON MARIANNE KIERSPEL, Kölner Stadtanzeiger vom 08.10.2015
Zuerst aber muss der ganze Körper locker werden, von den Füßen bis zum Nacken. Dafür kennt die Stimmbildnerin Silke Stapf effektvolle Übungen, auch im Kampf mit der Raumakustik, die wie eine Wolldecke vieles schluckt. Bald klingen die Töne voller, runder, schöner. Und nebenbei weiten die Choristen den Tonumfang.
Beim Einsingen macht sogar der Dirigent mit, Christian Letschert-Larsson. Er leitet die Probe, und Christoph Wagner assistiert am Klavier. Heute wird an Teilen aus Andreas Rombergs Kantate ,,Das Lied von der Glocke" gefeilt. Der Beethoven-Zeitgenosse hat schon 1808 Schillers berühmtes Gedicht über Glockenguss und Schicksal vertont.
Später nahm sich der Kölner Max Bruch den teils arg biedermeierlichen Text vor. Und noch 2009 hielt Schillers ,,Glocke" für eine Rockoper her. Das lange Gedicht mussten Schüler bis in die 1950er Jahre auswendig lernen. Jetzt klingeln bei der Probe die Ohren vor Zitaten wie ,,Alles rennet, rettet, flüchtet".
Die große Basspartie des Glockenmeisters singt im Konzert Mario Hoff. Das Feuer, das er zum Guss der Glocke braucht, wird zuerst als freundliche ,,Himmelskraft" besungen. Doch ,,wehe, wenn sie losgelassen", wenn eine Feuersbrunst ausbricht. Da schlägt die Musik ins Dramatische um, wird das Tempo hitziger, die Harmonik düster: ,,Doch furchtbar wird die Himmelsmacht, wenn sie der Fessel sich entrafft."
Romberg, der fast vergessene Komponist, hat sein Handwerk verstanden. Viele Chorstellen der Kantate sitzen schon recht gut. Da geht es jetzt noch um Feinheiten. Dazu teilt sich der Chor bei der Probe. Die Männer gehen mit dem Pianisten in einen anderen Raum, die Frauen arbeiten mit Letschert-Larsson weiter. Er feilt heute vor allem an der Aussprache. Schließlich sollen die Zuhörer in der Philharmonie jedes Wort verstehen.
,,Ihr dürft ruhig übertreiben", fordert er. So werden Vokale aufgehellt, Konsonanten klar artikuliert. Ein kölsches ,,l" zum Beispiel geht gar nicht, moniert Letschert-Larsson. Auch musikalisch gibt es Details zu verbessern. Der Sopran muss Töne bis zum hohen G und A locker erreichen. Gewisse Passagen soll der Chor mehr auf Linie singen. Und er soll keine Phrase vorzeitig verschwinden lassen. Mit Humor übersetzt eine Altistin: ,,Nicht ausziehen, bevor man schlafen geht." Und bloß nicht nuscheln! An gefährlichen Stellen hat sich eine Sängerin ,,Seehofer" über die Noten geschrieben, als abschreckendes Beispiel.
Die Chorgemeinschaft Cäcilia Zündorf hat einen großen Vorteil. Wenn Stimmen fehlen, kann sie Kollegen aus Letschert-Larssons anderen Chören ,,ausleihen", aus dem Concert-Chor Concordia Hürth und dem Volkschor Bergheim. Der Chor stellt der Romberg-Kantate Werke von Felix Mendelssohn zur Seite, mit dessen ,,Hebriden-Ouvertüre" die Kammerphilharmonie Rhein-Erft das Konzert auch eröffnet.
Warum aber hat der Chor Rombergs ,,Glocke" als Hauptwerk ausgesucht? ,,Die »Glocke« war eins der ersten Stücke, die Cäcilia Zündorf 1985 einstudiert hat", erklärt der Vorsitzende Uwe Kautz. Jetzt, zum 30. Geburtstag des experimentierfreudigen Chors, erinnert Cäcilia Zündorf an ihre Anfänge.
Beim Philharmoniekonzert am 24. Oktober um 15 Uhr wirken Chor, Orchester und fünf Solisten mit. Karten gibt es von 18 bis 36 Euro.
VON MARIANNE KIERSPEL, Kölner Stadtanzeiger vom 08.10.2015
10.10.2015