Ein musikalisches Paradies erschaffen

Ein musikalisches Paradies erschaffen

Chorgemeinschaft Cäcilia Zündorf und Orchester
begeisterten in der Philharmonie
Köln/Zündorf. Ein monumentales Werk, ergriffene Zuhörer und ein Chor, der seinen Erfolg mit einem Zitat aus Haydns "Schöpfung" feiern kann: Vollendet ist das große Werk, der Schöpfer sieht's und freuet sich. In der Philharmonie überzeugte die Chorgemeinschaft Cäcilia Zündorf mit ihrer Aufführung des 220 Jahre alten Oratoriums, das zu den Kompositionen aus der Reifezeit des damals schon in den Ruhestand entlassenen Musikers zählt.
In seinen 60er-Jahren hatte der Komponist in London den Erfolg großer musikalischer Gedächtnisfeiern für Georg Friedrich Händel zum Anlass genommen, ein Werk zu planen, das etwas ähnlich Großartiges wie Händels Messias zum Thema haben sollte. Er gelangte an die einst für Händel vorgesehene Textform der Schöpfungsgeschichte, die vom Musik-Mäzen Baron Gottfried van Swieten ins Deutsche übersetzt und als Auftragsarbeit von Haydn komponiert wurde.
Zunächst im privaten Kreis vor Adligen aufgeführt, wurde das Werk von 1799 an sensationell erfolgreich. Die Beliebtheit des Oratorium, das in drei Teilen die biblische Schilderung von der Erschaffung der Welt nachvollzieht, ist bis heute ungebrochen. Das ist dem komplexen Zusammenspiel von Chor und Orchester mit drei Solisten geschuldet, die aus der Perspektive dreier Erzengel die Schöpfungsgeschichte und aus der Perspektive von Adam und Eva die glückseligen ersten Tage noch vor dem Sündenfall beschreiben.
Unter der Gesamtleitung von Christian Letschert-Larsson brillierte der Chor. Aufmerksam und intonationssicher schilderten die Sängerinnen und Sänger, wie sich aus dem Chaos an den sechs Schöpfungstagen mit jedem Lichtstrahl, jedem Wassertropfen, jedem grünen Halm und jedem Lebewesen die Welt nach göttlichem Plan zu einem Ganzen fügt. Die Liedzeilen füllten die Sängerinnen und Sänger mit strahlender Schöpfungsfreude. Ihr Gesang wurde zu lebendiger Materie, zum Gotteslob und zu glücklichem Staunen. Vor allem bei den bekannten Chorsätzen aus der Schöpfung, "Stimmt an die Saiten", "Die Himmel erzählen" und "Vollendet ist das große Werk" kostete der Chor dieses Glück mal flüsterleise, mal in ungebremstem Jubel aus und nahm die Gäste in der gut besuchten Philharmonie dabei mit.
Das große Orchester hatte dazu von Anfang an den Weg bereitet. Die vor 15 Jahren von Letschert-Larsson gegründete Kammerphilharmonie Rhein- Erft mit ihren professionellen Musikern und einer reichen Instrumentierung zeigte in der Begleitung von Chor und Solisten hohes Können.
Die Musiker glänzten aber besonders in den Partien, als orchestrale Musik die kommende Schöpfung schon als Bild in den Herzen der Zuhörer entstehen ließ, ehe noch das Schöpferwort gesprochen war. Sie malten die Sonne, ehe sie aufging und verliehen jedem Part der biblischen Geschichte einen besonderen Klang. Zur Entstehungszeit des Oratoriums war der unumschränkte Glaube an jedes Bibelwort von der Entstehung der Erde noch unangetastet; vom Urknall und wissenschaftlichen Erkenntnissen war vor 220 Jahren nicht die Rede. Deshalb klingen manche Beschreibungen in heutigen, aufgeklärteren Zeiten naiv. Und auch die Artund Weise, wie in der "Schöpfung" die Rollen von Mann und Frau geschildert werden, ist antiquiert. Da war es ein Vergnügen zu erleben, wie Sopranistin Anna Herbst mit ihrer Rolle als Eva spielte. Die international bekannte und auf Opernbühnen erfolgreiche Sängerin hatte schon in den ersten Teilen des Oratoriums als Erzengel Gabriel hellen Jubel in ihre bezaubernde Stimme gelegt, wenn sie etwa die eben erschaffenen Tauben und Nachtigallen besang. Als Eva versprach sie Adam: "Dein Will' ist mir Gesetz" und legte dabei ein heimliches Lächeln in ihre Worte. Im Preis der Schöpfung, als Duett mit Adam (Lucas Singer, Bass) dargeboten, ließ sie die Gäste an den Lebenswonnen teilhaben. Joachim Streckfuß (Tenor) sang den Erzengel Uriel und hatte mit dem Chor das letzte Wort, deutete er doch die Vertreibung aus dem Paradies an. "Glücklich immerfort" könnten Adam und Eva sein, "wenn falscher Wahn euch nicht verführt, noch mehr zu wünschen als ihr habt und mehr zu wissen als ihr sollt".
Den Besuchern blieb das musikalische Paradies an diesem Abend unversehrt erhalten. Anhaltender Applaus belohnte die Aufführenden.
(Beatrix Lampe, Kölner Stadt-Anzeiger, 12. November 2019)
12.11.2019
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